Führung der Zukunft
Wie Führungsfähigkeiten sich entwickeln und ob wir Führung in Zukunft überhaupt noch benötigen – darüber wird digital & analog kontrovers diskutiert.
Der weiße, alte Mann, der seine Position durch Zeitablauf und Betriebszugehörigkeit erworben hat, hat ausgedient. Da ist man sich einig. Zumindest in der Makrobetrachtung.
In der Mikrobetrachtung brauchen wir Führung – als Ideengeber, Austauschfunktion, Vorbild, Sparringspartner, Herausforderer, Motivator. Doch welche Kompetenzen machen Führung und Teamleitung denn dann aus?
Unserer Meinung nach sind es solche, die wir auch im täglichen Leben gelten lassen. Ganz schnell sind wir da bei den Familienkompetenzen. Hierzu ein paar konkrete Beispiele:
1. Respekt
In der Familie haben wir Respekt voreinander. Davor, was unsere Eltern und Großeltern leisten oder geleistet haben. Vor deren Erfahrung und dem, was sie mit der Gründung einer Familie auf sich genommen haben. Sowohl an menschlicher wie auch an finanzieller Verantwortung (letztes kommt in diesem Artikel auf jeden Fall zu kurz, ist aber eine wenn auch nüchterne aber dennoch ganz wertvolle Familien- und Führungskompetenz!!).
Denn je nachdem, wie alt wir gerade sind, können wir einmal überlegen, vor welchem politischen und gesellschaftlichen Hintergrund unsere Eltern die Entscheidung zur Familiengründung damals getroffen haben. Das war sicher nicht immer einfach, manchmal verrückt, vielleicht auch mal zufällig. Aber hoffentlich mit dem festen Vorsatz, uns „aufzuziehen“.
Umgekehrt haben wir Respekt vor unseren Kindern. Davor, welchen neuen Herausforderungen sie heute gegenüberstehen, wie ihre Welt wohl irgendwann einmal aussehen wird, wie mutig sie sind, wie abenteuerlustig, realistisch, intelligent, sportlich, einzigartig!
Manchmal versuchen wir uns vielleicht selbst wieder zu entdecken. Mehr noch wünschen wir uns aber, unseren Kindern in ihrer Entwicklung auf Augenhöhe zu begegnen, damit sie sich zu selbstbewussten Menschen in einer uns auch noch unbekannten Welt entwickeln (und damit sind wir noch lange nicht – bitte nicht! – ihr bester Freund).
2. Vertrauen
Innerhalb einer Familie herrscht idealer Weise absolutes Vertrauen. Vereinbarte Regeln gelten (auch wenn die Gummibärchentüte keiner leer gefuttert haben will – das meinen wir nicht). In den Grundfesten sind wir uns einig. Man kommt zu vereinbarten Zeiten nach Hause, hat eine gemeinsame Mahlzeit, bespricht wichtige Termine, ist ehrlich und beschützt.
Oder aber es ist das Gegenteil der Fall – Familien sind zerstritten und die Verbindungen sind brüchig. Das ist nicht positiv zu bewerten, sagt aber trotzdem viel über das Thema Vertrauen. Es sind die Beziehungen, die wir haben und im Zweifel auch immer mal wieder mit einem Lächeln ertragen müssen – und sei es beim sporadischen Familienfest.
Es lehrt uns den Umgang mit Menschen und den Schutz unseres Selbstbildes.
3. Lernen und Fördern
Die Familie ist der kleinste und gleichzeitig der dynamischste Lernort. Wir lernen von den Großeltern echte Geschichte, hören Erzählungen von früher oder lernen auch mit dem Vergessen und dem Verlust von Wissen umzugehen.
Mit unseren Kindern lesen wir stundenlang vor, lernen neue Schriften, müssen uns mit neuen Lernmethoden anfreunden oder machen noch einmal Abitur (und viele stimmen uns sicher zu bei dem Spruch: „Das würde ich heute nicht mehr schaffen.“).
Mit unserem Partner machen wir eine Weiterbildung, planen die Kosten eines erneuten Studiums, diskutieren die Nachrichten, die anstehende politische Wahl, die Reiseroute des nächsten Urlaubs oder ein gutes Buch.
Das Lernspektrum in der Familie ist grenzenlos.
Und der Stolz auf eine gute Lernleistung innerhalb der Familie ist das größte Lob für die Anstrengung. Und der größte Trost, wenn es daneben geht.
4. Digitalisierung
Keiner kennt die neusten Tools und Medien eher, als die uns selbst unmittelbar nachfolgende Generation. Bevor man sich Gedanken um den Medienumgang der Kinder gemacht hat, haben die denselben schon fest im Griff. Und auch wenn das ewige Gedaddel nervig sein mag – wenn die Oma zu Weihnachten Gutscheine zum Umgang mit WhatsApp geschenkt bekommt, ist das doch eine wunderbare Form der Digitalisierung – spülen tut ja inzwischen auch die Spülmaschine.
Und es brachte uns ganz schnell an unsere Grenzen des Erklärungsvermögens, den Großeltern vor 15 Jahren zu erklären, warum denn nun keine Postkarte aus dem Urlaub mehr kommt, sondern ein „Brief per Computer“ – in Echtzeit.
Gleichzeitig gehört es jetzt schon zu den größten Lachern, Kindern eine Kassette und einen Bleistift vorzulegen oder die Wählscheibe eines Telefons.
Der gegenseitige Austausch über alte und neue Tools und die Nutzung der natürlichen Digitalkompetenz im eigenen täglichen Umfeld bringen mehr als jeder institutionalisierte Medienkurs. Und auch wenn es irgendwie peinlich ist, wenn die Eltern auch Social-Media-technisch unterwegs sind – es ist doch auch wieder ganz okay, wenn es nicht nur um bunte Bilder, sondern um den günstigen Urlaubsflug, ein Event oder ähnliches geht. Auch hier geht es um den Austausch auf Augenhöhe.
5. Zeit
An nichts wird die Wichtigkeit von Zeit so deutlich, wie an der Familie. Wir sehen deutlich, wie unsere Eltern älter werden, gerade wenn wir im Job stehen, wegziehen und uns nicht mehr jeden Tag sehen. Da werden die gemeinsamen Momente umso wichtiger. Mehr noch, umso älter sie sind. An unseren Kindern sehen wir selbst kontinuierlich, wie wir älter werden. Gerade, wenn die Lernkurve in den ersten Lebensjahren so unglaublich steil ist, dass wir wirklich glauben, man lernt im Schlaf – wäre toll, wenn das vor der Abiklausur auch noch klappen würde.
Spätestens, wenn uns selbst das erste Mal bei Kindern von Bekannten der Spruch „Bist Du groß geworden“ rausrutscht, wissen wir – die Zeit rast, wir möchten jeden Moment festhalten.
Während kleinen Kindern eine Stunde ohne Beschäftigung noch unendlich lang(weilig) vorkommt, ist eine Stunde im Job vorbei wie nichts – eine Stunde beim Artikel schreiben übrigens auch. Die Stunde des Wartens, wen man schlechte Neuigkeiten befürchtet gegenüber der Stunde im Freizeitpark lässt gar nicht vermuten, dass beide wirklich 60 Minuten haben.
Umso wichtiger ist uns Familienzeit, die ohne Nebenwirkungen und Störgeräusche als solche verbracht wird. Echte Work-Life-Balance!
Länger geworden, als gedacht – aber genau diese Kompetenzen sind so entscheidend für Führung. Denn zu jedem Familienbeispiel gibt es auch ein Jobbeispiel, das wir dann besser verstehen oder einordnen können.
Heißt das den nun, dass der weiße alte Mann von alten, erfahrenen Familienmenschen abgelöst werden muss?
Genau nicht!
Denn diese Kompetenzen können wir alle zum Einsatz bringen. Je nach eigenem Erleben und Vorgeschichte sind sie auch bei jungen Kollegen durchaus ausgeprägt – durch Geschwister, Großeltern, aber auch durch Freunde, die, wenn es um echte Freundschaften geht, durchaus in diesen Kreis der Familienkompetenzen gleichwertig mitzählen. Oder auch durch aktiven Teamsport.
So saß erst kürzlich eine ganz junge Kollegin vor uns, die sich über das Verhalten nur unwesentlich jüngerer Teammitglieder aufregte: kein Sinn für Ordnung, für die Werte hinter dem verwendeten Material, immer mal am Handy, gerne auch mal eine Extrapause.
Das ist kein Phänomen einer „neuen Generation“. Das ist eine Ausprägung fehlender Vorbilder, noch nicht geforderter (schlummender) Kompetenzen oder eines noch nicht vollständig ausgeprägten Bewusstseins. Wenn wir das Handy nicht am Esstisch benutzen, passiert das später auch nicht im Meeting. Wenn das Zimmer aufgeräumt ist, ist es auch der Schreibtisch. Wenn die Tochter ausreden darf, darf es auch der Kollege und wenn wir die Sicht des Großvaters verstehen, versuchen wir auch unsere Mitarbeiter zu verstehen.
So eindimensional ist es natürlich nicht – aber es sind unsere intrinsischen, anerzogenen und verinnerlichten Sozialkompetenzen, die unsere Team- und Führungsfähigkeiten ausmachen. Die Werte, die wir für unser gesamtes Leben zugrunde legen – für Work & Life. Wenn wir nicht trennen, sind wir authentisch.
Inklusive der Lust am Lernen und an neuen Trends.