„Und dann rechnen Sie mal noch € 500 fürs Marketing im ersten Jahr und bauen sich schnell eine Website.“… So der Tipp des (staatlich geförderten) Existenzgründungscoachs.
Da haben wir doppelt komisch geguckt… Markteintritt in eine etablierte Branche – ohne Marketing? Wir wettern jetzt keinesfalls grundsätzlich über Existenzgründung, in Deutschland, bürokratische Hürden bei der Förderung oder fehlenden Unternehmerspirit. Aber es ist nicht das erste Mal, dass wir in unserem Beratungsalltag über solche Aussagen stolpern.
Und mit Sicherheit sollten die diversen Gründerprogramme inklusive externer Unternehmensberatung eigentlich ein perfekter Anreiz für den mutigen Schritt in die Selbständigkeit sein. Nur scheint da so einiges nicht zusammen zu passen.
Was motiviert uns zu einer Existenzgründung und zur Selbstständigkeit?
Denn trotz Förderung, Anschubhilfe, dem Wunsch nach flexibleren Arbeiten sinken die Zahlen der Gründer ziemlich proportional zum Sinken der Arbeitslosenquote.
Wenn wir also mit unseren Programmen lediglich versuchen, diejenigen, die kein (passendes) Angestelltenverhältnis finden „in Arbeit“ zu bringen, dann sind Motivation und Ziele der Förderung zu kurz gegriffen.
Genau das haben wir den Neugründern, mit denen wir Konzepte für Sichtbarkeit, Marketing und (ihr individuelles) Storytelling entwickeln sehr deutlich angemerkt.
Die Förderprogramme und die Gründungsberatungen sind nicht auf digitale und innovative Existenzgründung ausgelegt. So pauschal ist das sicher nicht richtig, aber die Tendenz halten wir für leider sehr wahrscheinlich. Was brauchen wir also in der Gründungsberatung oder worüber müssen wir uns – außerhalb organisierter und institutionalisierter Gründungsberatung – viel mehr austauschen?
1. Selbstständigkeit ist keine Second Best Lösung
Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Ja, so manches mag uns nicht wirklich sozial und fair vorkommen, aber wir haben ein Sicherungs- und ein Altersvorsorgesystem, dass im Vergleich zu vielen anderen Ländern außergewöhnlich gut ist. Dass uns aber auch lähmt – nämlich dann, wenn es darum geht mutig etwas auszuprobieren, uns auszuprobieren, für uns selbst zu sorgen. Wir werden ja ganz gut versorgt.
Existenzgründung als Start Up, mit Fördergeldern für die erste eigene Idee, mit dem Knallerprodukt, das der Welt noch fehlt – da denkt man fast ausschließlich an junge Gründer. Mutig nach der Ausbildung oder dem Studium, frei und ungebunden und ohne große Verpflichtungen. Dann kann man sich den leeren Kühlschrank ja durchaus mal ein paar Tage leisten. Später im Leben gibt es immer genug Gründe, die dagegen sprechen. Im Job ist es gar nicht so schlimm, die geregelten Arbeitszeiten passen gut, Bequemlichkeit, Familienabsicherung, Urlaubsplanung ein Jahr im Voraus… die eine Ausrede ist besser als die andere, aber auch das macht insgesamt unflexibel.
Kennen wir übrigens selbst ganz gut: mit Familie, Hausfinanzierung, Studium und ja, auch dem liebgewonnen Sport- und Freizeitprogramm, ist man schlichtweg weniger disruptiv, was die Selbst(Job)organisation angeht.
Die Entscheidung für eine Selbstständigkeit ist eine, die mit Bauch, Herz und Verstand gefällt werden muss.
Die Entscheidung für eine Selbstständigkeit – und in unseren Augen gilt dies gleichermaßen für die Selbstständigkeit im Nebenerwerb – ist eine, die mit Bauch, Herz und Verstand gefällt werden muss. Wenn Vollzeit dann, weil nur so die gesamte Energie investiert werden kann; wenn Teilzeit dann, weil die Wochenarbeitszeit definitiv ansteigen wird bzw. ab nun ein paar Bälle mehr parallel in der Luft gehalten werden dürfen. Beides eine Herausforderung, bei der bei aller Überlegung, Planung und Kalkulation immer Platz für Vorfreude bleiben muss! Es ist der Job der Wahl – der ersten Wahl!
2. Coaching, Beratung, Begleitung
Existenzgründungberatungen gibt es wie Sand am Meer – klar, denn den Sprung ins kalte Wasser trauen sich die wenigsten alleine und es macht ja auch Sinn, von Erfahrungen und Netzwerken zu profitieren. Die Passgenauigkeit des Coachs allerdings ist dabei ausschlaggebend. Und da haben wir zuletzt leider wirklich oft Geschichten gehört, die uns für beide beteiligten Seiten sehr nachdenklich, fassungslos gemacht haben. Der Berater kennt die Branche nicht, dem vorfreudigen Gründer fehlen Fachkenntnisse in allen zu berücksichtigen Punkten.
Unser Tipp: Sucht – auch wenn die Beratung gefördert wird – nicht nach der eierlegenden Wollmilchsau. Klar, viele Köche verderben den Brei und im Zweifel hat ja auch noch jeder aus dem Freundes- und Familienkreis einen heißen Tipp auf Lager – aber beachtet vier Eckpfeiler der Beratungsthemen
- Finanzierung
- Recht
- Steuern
- Marketing
Fachlich – das sei vorausgesetzt – seid Ihr fit, habt eine Idee und idealerweise auf einer Seite mal niedergeschrieben, skizziert oder gemalt, was Eure neue Aufgabe ist. Damit ist die Tätigkeit, mit der Ihr Geld verdienen möchtet, klar umrissen.
Es geht um Euer Business – Alles andere ist nicht Euer Hauptjob!
Wenn Ihr Spaß am Erstellen von Businessplänen habt (den Initialplan müsst Ihr je nach Förderprogramm immer selbst (mit)erstellen), dann macht das; gleiches gilt für den bewanderten Hobbyjuristen oder das Werbe-Ass. Bringt Eure Kenntnisse ein, interessiert Euch und nutzt jede Aufgabe zum Lernen. Aber in den seltensten Fällen wird es Euch möglich sein, alle Bereiche auf einmal abzudecken. Kalkuliert dies von Anfang an mit ein. Es geht nicht um horrende Beraterhonorare, aber es geht um einen Austausch auf Augenhöhe für Euch, um Sparringspartner, die Euch ehrlich und fundiert Kritik geben und um die Basis Eures Business. Das sollte Euch Zeit und auch Geld wert sein!
3. Networking
Ein gutes Netzwerk ist daher unerlässlich. Denn auch der beste Berater kann kaum alle Branchen kennen. Passende Gruppen auf Social Media Plattformen können Euch wirklich tagtäglich mit nützlichen Stories und Tipps versorgen und mit ein bisschen Grundrecherche findet Ihr ziemlich schnell raus, wer Euch weiterhilft, wie Ihr filtert und was Euch gar nichts nützt. Vertraut auf Euer Bauchgefühl, wenn Ihr zum Beispiel Blogs folgt. Ungeschminkte Geschichten von Menschen, die Eure Ängste, Hoffnungen und Erfolgsstories teilen, sind oft viel mehr wert als ein Seminar, bei dem die Voraussetzungen und Erwartungen der Teilnehmer weit auseinanderdriften. Schaut Euch in der Region um – Gründerstammtische gibt es zu den vielfältigsten Themen. Sie sind spezifisch, authentisch, hochaktuell und kostenlos. Und sie müssen nicht einem vordefinierten Prozess oder einem ggf. veralteten Standard genügen. Investiert Zeit in Netzwerke – online und offline! Nicht zuletzt könnten auch da Eure künftigen Kunden sitzen!
4. Sichtbarkeit
Zurück zu den 500 € Marketing fürs erste Jahr. Wir werden keine Pauschalaussage zum Marketingbudget bei Existenzgründungen treffen. Wie auch? Aber wir beraten unsere Partner und Kunden hoffentlich fair und ehrlich. Es geht um nichts anderes als Sichtbarkeit. Der Eintritt in einen Markt – egal wie gut eine Idee ist oder wie stark Ihr als Person seid: Ihr sei zunächst unsichtbar. Mag sein, dass es schon ein paar potentielle Kunden gibt, ebenso habt Ihr den Wettbewerb analysiert, die Zielgruppe und den (regionalen) Markt. Aber Ihr wollt ja nach vorne, wenn vielleicht auch nicht in die erste Reihe (auch wenn das immer das Ziel sein sollte in Eurer ganz speziellen Nische), dann doch wenigstens in die Top Ten. Das solltet Ihr Euch wert sein.
…hat auch einen Preis
Und da hilft der Tipp „Sie können ja ein paar Visitenkarten drucken und Flyer verteilen“ (ja, den gibt es noch!) ausgesprochen wenig. Wir finden ihn sogar gefährlich. So wie es früher absolut üblich war einen Eintrag im Branchenbuch zu haben, so gehört heute ein (professioneller) Webauftritt und eine überlegte Social Media Präsenz zum Standard. Das kostet kein Vermögen, aber eben auch keine € 500 im Jahr. Da schließt sich der Kreis zum Zeitbudget: wenn Ihr fit im Webdesign seid, dann baut Ihr Euch auch schnell eine Website. Seid Ihr das nicht und ist Euer Bereich schon gut besetzt, dann tun Beratung, Support und ein Blick von außen gut – das alles ist überhaupt in jeder Phase der Gründung Gold wert. Storytelling, PageSpeed, SEO, SEA, Impressum, Datenschutz, Backlinks, Ranking – auf so einer Website vereinen sich gleich mal eine ganze Menge von Disziplinen, die zum ganz schönen Zeitfresser werden können. Und das eigene Designpaket präsentiert zu bekommen hat noch einmal einen ganz anderen Effekt auf die eigene Motivation und das Selbstbewusstsein –
Gönnt Euch Eure (virale) Marke!
Wir merken aber leider oft, dass in Gründungsberatungen Businesspläne, An-und Ummeldungen, Bescheinigungen und Zertifikate im Vordergrund stehen. Und natürlich muss jedes Business auf einem soliden finanziellen und wirtschaftlichen Grund stehen. Aber zu glauben, dass das Marketing quasi von selbst passiert – „bunte Bilder kann jeder“ – ist fatal. Ihr müsst stolz sein auf das, was Ihr machen und leisten wollt. Also investiert in Euch, in Eure Sichtbarkeit. Sinnvoll und mit einem guten Gefühl mit Menschen, die Eure Story professionell weitererzählen und empfehlen können.
Wir glauben fest daran, dass Existenzgründung in Deutschland Zukunft hat und Spaß machen kann. Sichtbar, individuell & persönlich! Sollen wir zusammen eure Story teilen?