Die Schließung der Kaufhäuser macht Kommunen Angst. Viele machen sich Sorgen, wie die Innenstädte ohne die Warenhäuser aussehen werden. Quo vadis Shopping Wahn?
Nie haben wir uns so gefreut spontan bloggen zu können. Nicht dass wir schadenfroh wären – aber unsere Meinung eben mal so äußern zu können. Grandios!
Von der Kaufhalle…
Einer meiner ersten Nebenjobs war der in der Kaufhalle. OK – Alter geoutet jetzt…
Denn immerhin wurde die Kaufhalle bereits 2000 von der Metro AG verkauft und war spätestens dann nicht mal mehr die „Billigvariante“ des Kaufhofs.
Zuvor waren die Rollen klar verteilt: in der Halle gab‘s die günstigen Produkte, im Hof hielt man auch Hof. Und nicht weniger als das: die Kaufhäuser waren die Flagship Stores der Großstädte – einmal hin – alles drin. In den oberen Etagen residierten die Musicstores mit den besten Single und LP Angeboten. Da fuhr man am Samstag als Familienausflug hin.
Lang ist´s her. Zu lang.
…zum Kaufhof
Und trotzdem sind sich die aktuellen Nachrichten einig nach dem Teil-Aus für Kaufhof und Karstadt: „Wir müssen das Einkaufen wieder zum Erlebnis machen.“
Aha. Und: Nein – im „wir müssen wieder“ liegt vermutlich der größte Fehler.
Einkaufen hat sich in den Jahren, seitdem ich als Aushilfe in eben dieser Kaufhalle einer nordrheinwestfälischen Kleinstadt stand, geändert. Es hat Quantensprünge gemacht, ist aufgelöst, neu erfunden, nicht mehr vorhanden, anders.
Beim Einkaufen – bei eben diesem Shoppingerlebnis – hat all das, was wir der Arbeitswelt aktuell prophezeien und wünschen, schon stattgefunden. Und zwar im Zeitraffer – und leider eben auch an vielen vorbei.
New Shopping ist spürbarer als New Work.
Was ist das – dieses Shopping – Erlebnis?
Und jetzt suchen wir für Kaufhäuser also nach einem neuen Shoppingerlebnis. Unser Shoppingerlebnis ist in der Regel das:
– such es auf einer Plattform aus
– kauf es – lass es liefern –
– es passt: Haken dran | es passt nicht – schick es zurück.
Das dürfte den meisten Menschen so gehen – auch wenn wir uns alle Konsumverzicht auf die Fahnen schreiben.
Wir verschließen die Augen vor strukturellen Problemen!
Genau dem muss das Shoppingerlebnis in der Stadt trotzen. Und das tut es nicht, indem es zum Vorher zurück will. Da ist Corona wirklich nur der Todesstoß. Das Ende war vorher nah (ähnlich wie bei Vapiano, denn gute Pizza gab es schon vor Vapianao und erst recht vor Corona und zwar freundlich serviert an den Tisch statt mit Pager…). Das Konzept war überholt. Unrettbar.
Nicht allein Shopping muss also wirklich anders sein. Die Innenstadt muss anders sein. Nicht wie vorher. Was machen wir gerne in unserer Freizeit? Wir lieben Natur, Tiere, Action, Bewegung, Kunst. Wir mögen vieles, was es sogar kostenfrei gibt. Also gehen wir raus aus der City. Manche auch ins Outlet Shopping – aber das ist Geschmackssache.
Event City Shopping
Aber wenn wir stationäres Shopping wieder attraktiv machen wollen, dann müssen Events in die Stadt. Dann muss Lebensqualität in die Kommunen.
Immer noch denken wir viel zu eng. Ein bisschen ändern an dem, was wir haben. Kirche in der Mitte, Dorfplatz drum herum, dann ein paar Straßen.
Wie wäre es mit einer Moschee in der Mitte? Der Synagoge? Dem Freizeitpark? Tattoostudio? Fitnesscenter? Schulzentrum mit angeschlossenem Altenheim? Ein Spielplatz inmitten kleiner Läden und Handwerker.
Was auch immer: das Leben gehört ins Zentrum. Shopping im Konsumrausch so wie wir es kennen nicht! Nein, die Abrissbirne muss dafür nicht erst alles platt machen, was da ist. Aber dieses Stadtzentrum, diesen (Kauf)hof der Möglichkeiten denken wir immer noch viel zu eng. Viel zu langweilig!
Corona mag der Todesstoß sein – aber das Ende war lange nah. Wer von Euch allen hat in den bestehenden Höfen eingekauft in den letzten Wochen? Ging nicht, ok – und im letzten Jahr – vor Weihnachten? Online war einfacher oder? Bequemer, billiger – auch nicht mehr oder weniger spannend als das, was die meisten deutschen Einkaufsstraßen bieten.
Konsumverzicht und Arbeitsplätze
Zu unserer Zukunft passt das Bild überfüllter Kaufhäuser und von Menschenmengen, die sich mit Plastiktüten bepackt auf Rolltreppen und in Gängen drängeln, doch längst nicht mehr.
Konsumverzicht, mehr Grün, weniger Verkehr, generationenkompatibel und integrierend. Das ist die Innenstadt der Zukunft. Das wird vielen Händlern schaden, ja. Aber darum etwas zu erhalten, was keine Zukunft hat, kann doch keine Lösung – kein Plan sein. 5.300 Mitarbeiter des Kaufhof Konzerns stehen künftig ohne Job da. Das ist tragisch – aber es war irgendwie absehbar, oder? Unser „Wir müssen wieder…“ ist rückwärtsgerichtet. Wir denken viel zu selten „Können wir nicht mal…?“
Der Digitalisierung wird auch so oft nachgesagt, sie vernichte Arbeitsplätze. Und darum digitalisieren wir uns jetzt nicht? Wir handeln leider so wenig strategisch. Genau das ist für die Menschen, deren Arbeitsplätze gefährdet sind, schlimmer als alles andere! Ist es nicht fast sträflich eine Sicherheit vorzugaukeln, wenn es sie nicht geben kann? „Am Leben erhalten“ ist immer zeitlich begrenzt – es hat nichts mit nachhaltiger Gesundheit zu tun. Nicht zuletzt ist nachgewiesener Maßen das Konzept der autofreien Innenstadt keineswegs schädlich für den stationären Handel – wenn der dann attraktiv ist. Im Gegensatz zur fehlenden Strategie sind wir Meister den Bedenken und Ausreden!
Die Vorbild City
Und auch wenn wir nicht kopieren sollten – es gibt Beispiele, die funktionieren. Städte, die bewusst oder zufällig zukunftsfähige Konzepte haben.
So müsste New York unendlich dankbar sein, dass Andrew Jackson Downing mitten in einer der größten Städte der Welt eine der schönsten kostenlosen Ruheoasen geschaffen hat. Der Central Park ist doch viel eher das, was uns in die Stadt zieht. Oder der neue Highline Park, von dem aus man immer zu kleinen lokalen Märkten abstechen kann. Im Kleinen ist das BIKINI Berlin ein Beispiel für neues Stadtdenken – einkaufen mit Blick in den Zoo (der immerhin auch mitten in der Stadt liegt). Ja, einkaufen dort ist teuer. Aber es soll ja auch gar nicht immer um VIEL Shopping gehen. Es soll darum gehen, wo wir gemeinsam Zeit verbringen möchten. Und wenn wir weniger kaufen, dann bekommen wir endlich auch wieder ein Gefühl für Wert, Qualität und Nutzen. Geiz ist nicht geil.
Zu glauben, dass wir mit ein bisschen Farbe, einem neuen Raumkonzept und indirekter Beleuchtung überholten Konzepten wie Einkaufshöfen und –hallen neues Leben einhauchen ist wirklich utopisch. Das merkt man auch daran, dass niemand so richtig weiß, was mit diesen oft gesichtslosen Bauten passieren soll nach einer Schließung.
Concept Store – Concept Mall – Concept City
Selbst für das nicht mehr ganz „neue“ Shoppingerlebnis der Concept Stores funktioniert die alte Lagerhalle besser als das Kaufhaus einer mittelgroßen Stadt (wobei das erwähnte BIKINI Center es immerhin zur Concept Mall in genau so einem ehemals gesichtslosen Gebäude geschafft hat!).
Künftig müsste jede unserer Innenstädte so ein Concept Store sein: Individuelle Produkte, Plätze zum Verweilen, ein bisschen Event und ganz viel Lebensart. Gerade letzteres wäre unser Shoppingerlebnis der Zukunft. Mixed Use Konzepte nennen es die einen – Lebensqualität die anderen.
Wie sieht Euer Markplatz der Zukunft aus? Euer Raum an dem Ihr das kauft, was Ihr wirklich braucht und gleichzeitig leben könnt – natürlich, gemeinsam und wertvoll? Wir brauchen definitiv mehr Stadt Updates.
Inspiration shoppen statt gesichtslos konsumieren.
Mehr dazu?
Weitere Ideen dazu hat auch das Zukunftsinstitut. Lebensqualität wird zum Schlüsselfaktor und Garant für ökonomische, ökologische und soziale Stadt-Stabilität. Neue Umwelttechnologien, energieeffiziente Lösungen und zunehmende Digitalisierung tragen zur qualitativen Verbesserung des Stadtlebens bei: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/urbanisierung-die-stadt-von-morgen/
Dass solche Konzepte längst nicht nur Utopien sind, sondern Realität werden an allen möglichen Orten auf der Welt lest Ihr auch in der Handelsblatt Kolumne von Eike Wenzel Das sind die Trends auf dem Weg zur Stadt der Zukunft: https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/expertenrat/wenzel/expertenrat-eike-wenzel-das-sind-die-trends-auf-dem-weg-zur-stadt-der-zukunft/24582572.html
Auf der Plattform „Zukunft des Einkaufens kann man sich auch wunderbar inspirieren lassen! https://zukunftdeseinkaufens.de/https-zukunftdeseinkaufens-de-mixed-use-konzepte-%e2%80%8e/
Und auf der Plattform https://www.urban-hub.com/ können wir alle dazu beitragen, die Zukunft unserer Städte und unserer Mobilität zu gestalten.