Employer Branding funktioniert nicht mehr über die Stellenanzeige in der Zeitung – so viel sollte klar sein. Vermutlich haben einige (wenige) von Euch gestern noch die Wochenendausgabe der Zeitung aus dem Briefkasten geholt oder vom Bäcker mitgebracht. Dick ist die noch, aber der Stellenmarkt, der noch vor 20 Jahren die Hälfte dieses Pakets ausmachte, ist inzwischen auf eine Doppelseite geschrumpft.

Klar – alles geht digital heute. Aber ist die digitale Stellenanzeige die richtige Antwort auf veränderte Informationsgewohnheiten?

Einfach die Stellenanzeige (zum gleichen Preis) aufs Portal oder auf die Unternehmenshomepage? Wir finden, das greift viel zu kurz. Es ist sogar kurzsichtig.

Ein Beispiel

Die RoboFly GmbH ist ein mittelständischer Spezialanbieter von Bauteilen für Rasen- und Saugroboter mit Sitz in der Eifel. Als Hidden Champion mit einer langen Tradition, attraktiven Jobkonditionen und einem innovativen Arbeitsumfeld gelingt es dem Unternehmen trotz der regionalen Lage Fach-und Führungskräfte zu attrahieren. Durch die Eingliederung in die Strukturen der IHK gilt dies ebenfalls (noch) in zufriedenstellendem Maß für die Gewinnung von Auszubildenden.

Im Bereich des Recruitings von Kandidaten mit einem ersten akademischen Abschluss allerdings ist die RoboFly GmbH weitestgehend erfolglos. Ihr fehlt es an Sichtbarkeit für die Zielgruppe des Fachkräftenachwuchses.

Während Spezialkräfte mit Berufserfahrung über spezialisierte Jobplattformen gewonnen werden können, gelingt es für die Zielgruppe der Generation Z nicht, die RoboFly GmbH entsprechend attraktiv in den allgemeinen Onlineplattformen zu platzieren. Hierbei ist zu beachten, dass die Recruitingkosten pro Jahr im 5stelligen Bereich liegen und auch die Einstiegsgehälter der erfahrenen Fachkräfte erheblich über dem Branchendurchschnitt liegen.

Obwohl die RoboFly GmbH über flache Hierarchien verfügt und Marktführer in ihrem Produktsegment ist, arbeiten Marketing und HR noch weitgehend autark voneinander. Silodenken ist die vorherrschende Organisationsform. Die Kenntnisse des Personalbereichs fließen ebenso wenig in den Imagebildungsprozess des Unternehmens ein wir umgekehrt die Produktführerschaft in das Recruiting.

Kommt Euch bekannt vor? Uns auch!

Und dann diese Gegensätze

  • Während man für eine einmalige Stellenanzeige einen fixen Betrag aufwendet, kann eine Karrierewebsite in einer Preisspanne von/bis liegen.
  • Eine Stellenanzeige wird (vom HR) erstellt und weitergeleitet, eine Website muss dauerhaft bespielt werden.
  • Der ROI in Form von eingehenden Bewerbungen ist bei einer Stellenanzeige unmittelbar sichtbar, bei der Website nicht.

Entweder – oder

Das ist es natürlich nicht das eine ODER das andere. Aber eine Karrierewebsite hat viele Vorteile. Ein Vorteil schlägt alles – das ASS im Spiel: Einmal geplant und erstellt ist sie dauerhaft sichtbar. Auf unseren Artikel letzte Woche zum Recruiting via Social Media kommentierte jemand so richtig: „Wie soll ich denn je nach Region überhaupt von einem Unternehmen erfahren?“ Exakt: Wie lerne ich diese RoboFly´s kennen? Ich möchte mitfliegen!

Was zukünftig in Zeiten von Fachkräftemangel und „Abholmentalität“ immer wichtiger wird:

„Wenn ich gar nicht suche – wie werde ich dann gefunden, getriggert, motiviert?“

Denn das hier ist die Realität:

Und dann ist Eure Karrierewebsite genau das: eine beständiges, ziemlich attraktives Dauerwerbeplakat. Allerdings mit genialer Reichweite – wenn sie gut gemacht ist.

Style your Business

Was genau ist dieses „gut gemacht“? Das kommt darauf an, von wo bis wo Ihr den potenziellen Bewerber begleiten wollt. Wir lieben die ganze Story (Ihr wollt ja kein Stück Mensch) und gehen mutig von der gesamten User Experience aus, das heißt wir checken die Top 3 Touchpoints im Schnelldurchlauf ab:

1. Der potenzielle Bewerber weiß nicht, dass er ein solcher ist…

Die größte Hürde: der optimale Mitarbeiter in spe sucht nicht. Zumindest (aktiv) keinen Job. Also muss Eure Seite genau das anteasern, was Eure Zielgruppe grundsätzlich sucht. Was Mr. X und Mrs. Right auch außerhalb des Arbeitslebens anziehen würde.

T3N hat die besten Karrierewebsites 2018 auf Basis ganz unterschiedlicher Kriterien untersucht (und auch festgestellt, dass da viel Luft nach oben ist). Klar ist: im ersten Schritt geht es um Aufmerksamkeit. Bilder, Sprüche, Attraction. Da heiligt wirklich der erste Klick sowohl die Verweildauer wie auch die Mittel. Das ist wenig HR und viel Marketing – SEO, SEA und Affiliate. Wir müssen bei der Zielgruppe sein, weil die noch nicht bei uns ist.

2. Branding – da will ich hin

Es gibt nach wie vor Marken, denen ein Bewerber blind vertraut. Aber selbst die verlassen sich darauf nicht. Im zweiten Schritt geht es also um Bindung. Warum genau dieses Unternehmen? Warum eben auch ohne 100jähige Tradition und unverwechselbaren Schriftzug?

Karrierewebsites erzählen die Geschichte des Unternehmens auf einen Blick mit Leidenschaft und Authentizität (und es ist absolut möglich, dies auch für ein ganz junges Unternehmen mit zweimonatiger Story und Logo im Erstentwurf zu tun ;-).

Ihr erzählt diese Story – das wäre Ausbaustufe 2.0 – idealer Weise nicht selbst, sondern sie haben ihre Hauptdarsteller. Dich und mich; Menschen, die genau wissen, warum und wofür sie genau hier arbeiten. Ohne Testimonial und interne Influencer fehlt der Karrierewebsite definitiv das gewisse Extra. Die Zielgruppe ist da, nun soll sie auch bleiben.

3. Struktur – wo geht´s hier lang?

Angezogen, eingefangen – jetzt geht es ans Eingemachte. Die Neulust und die erste Euphorie sind verflogen. Wie geht es jetzt weiter? Nach all der Aufregung braucht der Bewerber den Prozess – die 5 W- Fragen:

  • was bekomme ich?
  • was muss ich können?
  • was muss ich tun?
  • was kann ich erreichen?
  • wie geht es weiter?

Hier zählen Einfachheit und Bedienerfreundlichkeit – und zwar für alle Zielgruppen.

  • Der Upload der Unterlagen muss schnell gehen, flexibel sein und menschliche Fehler vorhersehen.
  • Automatische Antwort in 5 Sekunden – super! Aber was zählt ist die Geschwindigkeit der „echten“ Rückmeldung. Karrierewebsites (und die Abteilungen dahinter) sind idealer Weise gewappnet für ausgeschrieben Stellen und für Initiativbewerbungen. Gerade letztere verlangen, dass auch die Menschen dahinter initiativ (spontan, kreativ & flexibel) sind!
  • FEEDBACK!!!!
    Kein Perfect Match? Total normal. Aber wer von uns mag es, wenn jemand per What´sApp Schluss macht, sich nach dem ersten Date einfach nicht mehr meldet oder sich mit einem „wir können ja Freunde bleiben“ verabschiedet? Steckt bitte mal alle genauso viel Kreativität in eine wertschätzende Absage wie in die Anwerbung. Wir treffen uns immer zweimal im Leben… Und selbst wenn nicht: Das hilft beim Menschen verstehen und es lehrt Kommunikation. Auf beiden Seiten.

Das Eheversprechen

Schon gemerkt?

„Eure Karrierewebsite ist biologisch gesehen klares Balzverhalten.“

Aufplustern, mit allen Reizen und Farben spielen, den Kampf gegen die direkte Konkurrenz gewinnen und dann zeigen, dass die Leistung auch stimmt.

Zuerst auf den…sorry… die Augen geschaut und dann die inneren Werte geprüft. Was überall in der Natur funktioniert ist auch im Bereich Personalmarketing nicht die schlechteste Wahl.

Wie lange so eine Beziehung dann hält, unterscheidet sich auch nicht unbedingt vom „Privat“Leben: Die Liebe fürs Leben findet sich immer seltener, Durchhalten ist Arbeit, dieses „alles offen halten“ ist eine komplizierte Maxime, die Möglichkeiten sind immens, das Gras auf der andere Seite ist immer grüner, manchmal hält einen nur die Gewohnheit zusammen…

Größte Hürde?

Kommunikation! Mensch mit Mensch – Marketing mit HR. Das ist nicht unser und überhaupt kein Totschlagargument, aber wenn wir es so richtig überlegen…?

Doch, ist es!

Wenn alle zusammen mit den Fachabteilungen an Bord sind, dann lassen sich inhaltlich spannende, dauerhaft tragende (und das heißt nicht statische 😉 Websites für das Recruiting und die individuelle Candidate Experience bauen. Ganz nebenbei: die klassische Stellenanzeige – wenn auch nicht auf dem Papier – gewinnt dadurch genauso an Attraktivität.

Ganz wichtig: Die Kennzahl „Menge an Bewerbungen“ ist eine ganz schlechte Kennzahl. Für die Karrierewebsite genauso wie für die Stellenanzeige.

„Das Perfect Match ergibt sich durch Klasse und Individual Fit, nicht durch Masse.“

Und wenn Eure Webseite die richtige Story erzählt findet Euch bestimmt mindesten alle 11 Tage das perfekte Talent. Und umgekehrt.